Mit der Leica M11-P bringt Leica die erste Kamera weltweit auf den Markt, die Adobes Content Authenticity Initiative (CAI) unterstützt. Etwas, das ich in der Überschrift mal ganz lax als “Echtheitssiegel” bezeichnet habe. Aber auch diese Bezeichnung ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ich habe sie vor einem guten Jahr mal bei Heise gelesen. Und fand sie als Arbeitsbegriff recht passend.
CAI bzw. Content Authenticity Initiative ist eine Initiative, die von Adobe bereits 2019 angestoßen wurde. Sie soll, vereinfacht gesagt, eine Möglichkeit schaffen, die Authentizität von digitalen Inhalten von der Quelle an gewährleisten. Für den Betrachter eines Videos oder eines Fotos soll einfach erkennbar werden, dass das Material tatsächlich echt ist und nicht gefälscht oder manipuliert. Dazu muss man natürlich möglichst viele Hersteller an Bord holen, die an der Entstehung, Verarbeitung und Darstellung der Inhalte beteiligt sind. Mit Nikon und Leica konnten vor ziemlich genau einem Jahr auch 2 Kamerahersteller ins Boot geholt werden. Beide wollten ihre Flagschiffe mit der entsprechenden Technologie ausstatten, die Z 9 und die M11. Leica hat nun vorgelegt und das Versprechen, noch 2023 zu liefern, eingehalten.
Mit CAI soll folgendes geschaffen werden:
- Wahrheit und Vertrauen: Mit CAI sollen wir sicherer sein können, dass die Bilder und Videos, die wir sehen und teilen, authentisch sind. Ziel ist die Stärkung des Vertrauens in Online-Inhalte.
- Journalismus und Fakten: Für Journalisten soll CAI eine Erleichterung sein. Sie sollen sicherstellen können, dass ihre Berichterstattung nicht verfälscht wird und somit die Qualität des Journalismus verbessern.
- Künstlerische Freiheit: Kreative Köpfe können ihre Werke schützen und gleichzeitig die Freiheit behalten, ihre Kunst auszuleben.
Um das zu erreichen, ist es erforderlich, die Inhalte bereits bei der Entstehung zu signieren und jeden Bearbeitungsschritt nachvollziehbar zu dokumentieren. So soll bei der Aufnahme eines Bildes bspw. der Entstehungszeitpunkt und -ort in den Metadaten gespeichert und signiert werden. Diese Information soll dann auch später jederzeit nachvollziehbar überprüft werden können, beispielsweise über spezielle Online-Dienste. Dazu ist es jedoch erforderlich, dass genau diese Informationen “unterwegs” immer mitgeführt und ergänzt werden. Damit meine ich: Jeder Bearbeitungsschritt muss diese Informationen erhalten und darf sie nicht zerstören.
Genau hier sehe ich aber auch noch das Risiko bzw. die (derzeitige) Limitierung. Wann immer ein Programm auf dem Weg bis hin zum Betrachter das Verfahren nicht unterstützt, dann gehen die Informationen verloren. Natürlich wird jemand, der die Echtheit in jedem Fall nachweisen möchte, nur Werkzeuge verwenden, die CAI unterstützen. Damit kann die Person/Organisation dem Betrachter beweisen: Das Bild wurde am Montag in sowieso aufgenommen und wir haben lediglich die Kontraste verstärkt. Es liegt ja in diesem Fall im ureigenen Interesse, diesen Prozess zu dokumentieren.
Nicht verhindern lässt sich so allerdings, dass eine Aufnahme bspw. vom 20.12.2023 in Berlin für eine Fake-Nachricht umdeklariert wird auf “aufgenommen am 12.2.2024 in Bottrop”. Einfach, indem man die signierten Metadaten entfernt und im Text dann schreibt, wann und wo die Aufnahme angeblich erfolgte. Also präzise so, wie es aktuell bereits geschieht. Es tauchen 5 Jahre alte Aufnahmen auf und sollen angeblich ein Ereignis dokumentieren, das gestern stattfand. Das zu verändern ist ein Prozess und ein Erfolg ist davon abhängig, dass sich möglichst viele Hersteller beteiligen. Wenn es die Initiative schafft, dass wir als Leser einer Nachricht eines Tages einem Bild in der Nachricht nur noch dann vertrauen, wenn wir innerhalb des Browsers sofort erkennen können: Ja, der behauptete Ort und Zeitpunkt der Aufnahme entspricht den Tatsachen, CAI ist vollständig verifizierbar – dann ist ein großer Schritt getan. Dann muss aber auch nachvollziehbar sein, was nachträglich geändert wurde.
Wie das aussehen kann und soll, zeigt ein Artikel im CAI-Blog. Es wurden Veränderungen am Foto vorgenommen und diese sind im direkten Vergleich mit der Originalquelle direkt erkennbar. So muss das funktionieren. Aber klappt das auch mit Videos? Wird hier erkennbar, wenn etwas (zu früh?) geschnitten wurde? Und wo liegen die Originale, wie vertrauenswürdig sind diese Systeme? Ebenso wird auch erst die Zukunft zeigen, wie gut der Manipulationsschutz funktioniert. In der Theorie klingen meist viele Dinge sicher und schlüssig, aufgrund von Designfehlern oder Fehlern bei der Umsetzung sind sie es dann oft eben doch nicht. Aber dafür ist es auch wichtig, dass die Umsetzung transparent ist und idealerweise Open Source.
Auch wenn der aufmerksame Leser zwischen meinen Zeilen eine gewisse Skepsis herauslesen kann, so finde ich dennoch die Idee und das Konzept grundsätzlich gut und vor allem auch wichtig. Meine gesunde Skepsis basiert auf meinen langjährigen Berufserfahrungen in der IT. Ich habe schon enorm viele Versuche erlebt, Dinge sicher und vertrauenswürdig zu gestalten. Und auch zu oft erlebt, dass die Umsetzung aus den unterschiedlichsten Gründen scheiterte. Sei es, weil sie nicht zu Ende gedacht waren, sei es, weil die Implementierung blauäugig oder stümperhaft erfolgte, alle möglichen Gründe wurden mindestens ein Mal ausprobiert. Aus diesem Grunde rät mir meine Erfahrung bei solchen Dingen immer zu einer Portion Skepsis. Trotzdem aber begrüße ich die Versuche, digitalen Medien eine gewisse Vertrauenswürdigkeit zurückgeben zu wollen. Denn vor allem in den letzten paar Jahren hat sich die Meinung in weiten Teilen der Bevölkerung gefestigt: Das, was wir da sehen, ist bestenfalls nur teilweise echt. Wenn überhaupt, bestimmt alles mit KI erstellt. Das Wissen, dass Inhalte skrupellos und ganz bewusst manipuliert werden, um Menschen zu manipulieren, hat sich inzwischen bei vielen durchgesetzt. Und das passiert ohnehin immer nur auf “der anderen Seite” (politischer Gegner, Feind, was auch immer). Dem etwas entgegensetzen zu wollen ist auf jeden Fall ein wichtige, aber auch eine gewaltige Aufgabe. Und auch wenn nicht jegliche Manipulation damit ausgeschlossen werden kann (was hält den Fotografen davon ab, den Ausschnitt so zu wählen, dass nur die Aussage im Bild erkennbar wird, die man zeigen will?), so ist es dennoch ein wichtiger Schritt.
Ich werde die Entwicklung in diesem Bereich auf jeden Fall aufmerksam verfolgen. Wir stehen hier aktuell gerade mal am Anfang, mit der Leica M11-P ist die erste Kamera verfügbar, die bereits an der Quelle die erforderlichen Daten hinterlegt. Ich glaube, damit beginnt jetzt so langsam der spannende Teil.
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