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Dies und das

Fotografenforen: Club der Besserwisser?

Fotografenforen
Bildquelle: Adobe Stock

Ich fotografiere aktiv, intensiv und ambitioniert seit 2015, dem Jahr, in dem meine erste Spiegelreflexkamera bei mir einzog. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich „nur“ einfache Kompaktkameras, meist nicht sehr teure Modelle, aber durchaus ausreichend für Schnappschüsse der Familie und Urlaubsfotos.

Meine Spiegelreflexkamera, ein Einsteigermodell von Nikon, forderte mich plötzlich heraus. Was ist ISO? Was ist eine Blende und wofür brauche ich die? Was bedeuten die ganzen Zahlen und Symbole im Display meiner Kamera? Fragen, die sich sicherlich jeder Neuling in der DSLR/DSLM-Welt stellt. Als Bücherwurm hatte ich mich schnell belesen, aber in Büchern steht nicht immer alles oder nicht passend zur Frage im Kopf. Also hatte ich folgende Idee: Frag doch mal in einem Forum!

Alle, die schon einmal in einem Forum von Fotografen für Fotografen eine Frage gestellt haben oder in den Antworten einer bereits gestellten Frage nach einer Lösung suchten, wissen, dass man dort nur selten wirklich fündig wird. Was man bestimmt findet, sind Belehrungen, dumme Bemerkungen, Hinweise auf bereits gegebene Hinweise (10 Jahre zuvor im Forum) oder die üblichen Schw…, sorry, Ausrüstungsvergleiche.

Erst neulich wollte ich recherchieren, ob ich meine geliebte Nikon D300 schalldämpfen kann, weil das Verschlussgeräusch des Spiegels in der Wildtierfotografie störend ist. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass ich die Lösung für diese Frage nicht in einschlägigen Foren oder Facebook-Gruppen finden würde. Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt. Die Kommentare, die ich dann fand, gingen von „Der Spiegelverschluss macht nun mal Geräusche. Willst Du jetzt den Spiegel ausbauen, oder was?“ über „Bei Canon sind die Geräusche noch viel lauter als bei Nikon.“ bis hin zu „Kauf Dir halt eine neue Kamera, ich empfehle Dir …“ Mein Favorit war aber: „Dann fotografiere was anderes als wilde Tiere, dann stört das Geräusch auch nicht.“

Ich bin immer wieder erstaunt über so viele kreative Antworten, die mit traumwandlerischer Sicherheit am Thema vorbei gehen und nur darauf hinweisen, wie dumm man sei, weil man fragt und wie toll der Antwortgeber in seiner gesamten Weisheit und Ausrüstung ist. Dieses Phänomen betrifft auch die Seiten, auf denen wir Fotografen Bilder einstellen dürfen, die kommentiert werden können.
Es wird auf jeder dieser Seiten, in jeder dieser Gruppen Mitglieder geben, die ungefragt zu allem ihren Senf geben. Dieser Senf ist dann weder hilfreich noch konstruktiv, noch respektvoll. Diese Fotografentypen sind offensichtlich der festen Überzeugung, dass man mindestens 20 Jahre „professionell“ fotografieren muss, um halbwegs vorzeigbare Bilder zu produzieren. Oder, dass man eine möglichst teure und natürlich topaktuelle Ausrüstung benötigt, sonst wird das nichts mit dem guten Foto. Schön sind auch die, die direkt vom eingestellten Bild auf die eigene – selbstredend bessere Arbeit – als positives Beispiel und Vorbild hinweisen. Und mein absoluter Favorit: „Warum fotografierst Du denn mit Hersteller X? Der ist doch Mist. Kauf Dir lieber Hersteller Y, dann werden Deine Fotos sofort besser. Wirste sehen.“

Übrigens sei erwähnt, dass die Belehrer und Besserwisser nicht immer auch die besseren Fotos machen, dann könnte ich mit solchen Bemerkungen vielleicht noch leben. Mit erhobenen Zeigefinger kann man aber auch schlecht den Auslöser der Kamera betätigen.

Der eine oder andere Leser, die eine oder andere Leserin wird sich nun fragen, warum ich die ganze Zeit in der männlichen Form geschrieben habe. Ich kann nur sagen: weil ich die beschriebenen Erfahrungen fast ausschließlich mit männlichen Fotografen gemacht habe, bzw. in den meisten Gruppen und Foren weibliche Fotografinnen selten zu finden sind. Ich will hier auf gar keinen Fall verallgemeinern, ich habe auch schon gute Beiträge oder Antworten aus der männlichen Fotografenriege erhalten, aber das waren extrem wenige.

Geht es besser?

Extrem skeptisch war ich, als Nikon 2021 das Projekt „Nikon Female Facets“ ins Leben rief. Ein Konzept, das ausschließlich Fotografinnen anspricht und fördert bzw. schult. Eine Facebook-Gruppe nur für und mit Frauen. Das war in meinen Augen zum Scheitern verurteilt. Facebook hat in den Gruppen sowieso schon keinen guten Umgangston und dann auch noch auf das weibliche Geschlecht beschränkt. Zickenterror und Stutenbissigkeit garantiert!

Ich habe mich anfänglich aus der Facebook-Gruppe rausgehalten, am Ende bin ich dann doch beigetreten und habe das bis heute nicht bereut. Wer hätte gedacht, dass eine Gruppe aus Frauen so nett und so respektvoll miteinander umgehen kann?
Die Kommentare zu den Themen sind immer freundlich, hilfreich und nie belehrend. Wer um Bildkritik bittet, der bekommt eine gute und konstruktive Kritik. Gab es eine Frage schonmal, dann wird diese mit den Worten verlinkt: „Schau auch mal hier nach – vielleicht findest Du hier auch eine Antwort.“ Wir machen uns gegenseitig Mut, wir helfen uns, wenn wir helfen können, ganz wertfrei und ohne Überheblichkeit.

Natürlich gibt es auch mal ein „Fishing for Compliments“, oder eine Selbstbeweihräucherung, aber in einem erträglichen Rahmen. Frauen sind schließlich auch nur Menschen. Der übliche „Wer hat das größte Objektiv“ Vergleich blieb bisher aus. Auch hat mir noch keine der Teilnehmerinnen geschrieben, dass ich keine Ahnung haben kann, weil ich noch nicht so und so lange fotografiere und die Kaufempfehlung, die ich kürzlich bekam, bekam ich auf Anfrage.

Ich weiß, das klingt total erstaunlich bis unrealistisch – aber es ist wahr.

Und während Männergruppen fotografierend in der Westruper Heide vor allem die Großartigkeit ihrer eigenen Arbeit und Ausrüstung laut hochlobten, stand unsere kleine Frauenrunde ein paar Meter daneben und hat sich mit den Kameraeinstellungen geholfen, die Fotos der anderen betrachtet und liebgemeinte Tipps gegeben, wenn angefordert. Am Ende hatten wir Speicherkarten voller guter Bilder, eine richtig gute Zeit und einen wunderschönen Sonnenaufgang zu vermelden. Sah bei den Herren nebenan nicht ganz so harmonisch aus.

Nikon Female Facets Ruhrgebietsgruppe in der Westruper Heide

Zusammenfassend hat mir das Fotografinnenforum tatsächlich endlich mal Antworten gebracht, gibt mir täglich die Motivation besser zu werden und dranzubleiben. Und – das ist das allerbeste – es hat mir viele tolle Menschen beschert, die ich heute zum Teil auch Freunde nenne.

Liebe Fotografen, bitte packt Eure Zeigefinger ein, nehmt Eure Ausrüstung nicht wichtiger als Euer Können und bitte lasst die dummen Antworten sein. Am Ende bringen die keinen weiter und sorgen nur dafür, dass die große Fotocommunity eine Ansammlung von Egozentrikern und Besserwissern ist, die uns nicht weiterbringt und nur dafür sorgt, dass man vom vielen Augenrollen Kopfschmerzen bekommt. Wenn Ihr eine Frage doof oder unsinnig findet, dann spart Euch Euren Kommentar und geht zur nächsten Frage. Antwortet doch bitte nur, wenn Ihr auch wirklich eine Antwort habt. Das wäre wirklich nett und hilfreich. Danke!

Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, dass ich keinesfalls der Meinung bin, dass meine Fragen immer sehr schlau, meine Fotos immer grandios und meine Wissen unendlich ist. Ganz im Gegenteil. Ich bin, wie viele, einfach auf der Suche nach Antworten.

Und für den Schalldämpfer für meine Nikon habe ich am Ende doch einen guten Tipp gefunden: Luftpolsterfolie. Um den Body gewickelt funktioniert die gar nicht schlecht und ist für mich leichter umzusetzen als dieser tolle Do-it-yourself Tipp.

Avatar-Foto

Wiebke

Wiebke fotografiert sehr viel in ihrer Freizeit und hat ein großes Herz für Tiere. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sie sich ganz der Fotografie von Haus- und Wildtieren verschrieben hat. Was zunächst im Freundeskreis begann, hat sich inzwischen auch auf Hunde- und Pferdebesitzer im weiteren Umfeld ausgeweitet. Unter ihren Pseudonymen Ruhrlinse und Ruhrkehlchen veröffentlich sie ihre Lieblingsbilder auch bei Instagram.

Für Run or Smile steuert sie Beiträge rund um ihre Lieblingsthemen in der Fotografie bei und schreibt aus ihrer Sicht über ihre Erfahrungen und Erlebnisse.

7 Kommentare

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  • Du beschreibst hier exakt die Gründe, warum ich mich bereits vor Jahren aus diesen Foren, Gruppen und Seiten zurückgezogen habe.

    Etwas ruppig ging es schon immer in Foren zu, das ist nicht erst seit kurzem so. Damit konnte ich leben, auch wenn das sicher nicht für jeden gilt. Aber in manchen Themengebieten, und dazu zählt halt leider auch die Fotografie, sind die Foren inzwischen oft weitestgehend “unbrauchbar” geworden. Zumindest, sofern sie nicht sehr gut moderiert werden.

    Eigentlich schade, denn im Grunde sind Foren eine gute Erfindung gewesen, um sich auszutauschen, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen. Leider tummeln sich dort oftmals Menschen mit zu viel Zeit oder zu viel Langeweile und eben auch mit zu viel Geltungsbedürfnis. Und da wurde es dann für mich uninteressant, wenn nicht gar unerträglich.

  • Wiebke, dass was du beschreibst, konnte ich tatsächlich auch in der „realen Welt“ feststellen.

    Ich traf an einem Fotospot einen männlichen Fotografen, aber aus seiner Sicht bestimmt mehr Tierschützer als Fotograf…

    Wir unterhielten uns entspannt, bis ein weiterer, wohlgemerkt männlicher Berufsfotograf, die Showbühne der längsten Brennweiten und besten Objektive betrat. Plötzlich verwandelte sich auch der eigentlich sehr nette Tierschützer in einen Prahlhans und ein Wort gab das andere.

    Ich hab dann besser das Feld geräumt, auf sowas hab ich keine Lust. Prahlende Männer brauch ich nicht. Und genauso ist es auch in besagten Foren. Ich kann dir nur zustimmen, ähnliche Erfahrungen hab ich auch gemacht.

    Und was Nikon Female Facets angeht, auch da stimme ich zu 100% zu! Ein toller Artikel!

  • Ich habe diese Seite gerade vor kurzem gefunden und kann nur das bestätigen, was der Sinn dieses toll und ehrlich geschriebenen Artikels sagt und meine Vorredner hier geschrieben haben. Nicht nur in Foren wird der Ton immer rauer, sondern auch in Fotokursen bekommt man unmissverständlich unter der Hand mitgeteilt mit welcher Ausrüstung denn man zu besseren Fotos kommt. Ich fotografieren ambitioniert mit einer Nikon D5600 die auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Anscheinend ist diese Kamera in den Augen einiger Fotoenthusiasten eine Anfängerkamera und man hat in fortgeschrittenen Kursen nichts zu suchen. Die Bilder als solche zählen nicht, selbst in diesen Kursen findet eine Materialschlacht sondergleichen statt. Ich werde weiter fotografieren, mich im Netz weiterbilden und rausgehen um zu fotografieren, denn nicht der Preis einer Kamera ist ausschlaggebend für gute Bilder sondern die 30cm hinterm Sucher.

    • Du hast es auf den Punkt gebracht, Joey.

      Es sind die 30cm hinter dem Sucher und nicht die vielen cm Glas und Plastik davor, die ein Foto ausmachen.

      Und das mit dem “unwürdigen” Equipment ist mir so vertraut. Weder meine erste D3300 noch meine derzeitige D300 sind gut genug für passable Bilder. Beide sind veraltet und nicht profiwürdig. Typische Antworten auf ganz andere Fragen. Ich nehme es, wie Du mit Gelassenheit.

      Ich wünsche Dir noch viele wunderschöne Momente und Fotos mit Deiner D5600.

      Liebe Grüße
      Wiebke

    • Ich bin ehrlich: Gelegentlich schiele ich auch mal zu den neueren Modellen, das eine oder andere würde mir tatsächlich extrem gut stehen (Z9… *seufz*). Aber wenn man so manchen selbsternannten “Experten” Glauben schenkt, dann konnte man vor Erscheinen der topaktuellen Geräte doch eigentlich noch nie so wirklich brauchbare Fotos schießen. Ich frage mich manchmal, woher die vielen tollen Bilder kommen, die seit Jahrzehnten existieren…

      Witzig ist nur, dass das mit jeder Generation von Kameras von neuem beginnt. So wie jedes neue Waschmittel immer weißer wäscht.

      Darüber hinaus: Schön, Dich auf meinem Blog begrüßen zu dürfen. Oder inzwischen: auf unserem. 😉

      • Liebe Wiebke, lieber Mirko.
        Vielen Dank für eure aufbauenden Worte und Glückwunsch für die toll gemachte Webseite. Ich werde hier oft stöbern und sicherlich vieles neue erfahren und auch lernen.
        Viel Erfolg und ich glaube man sagt “Gut Licht” :-)(Bezugnehmend auf den Artikel welches das “Petri Heil” der Fotografen ist)

    • Hi Joey,
      ich hatte auch eine D5600. Ich find die Kamera großartig. Leider war mir der Spiegel zu laut für die Wildtierfotografie.
      Ich bin davon überzeugt, um deine „30cm hinter dem Sucher aufzugreifen“, dass man mit ihr ebenso tolle Bilder machen kann, wie mit hochpreisigen Kameras!
      Bleib deiner Linie treu, dann kommst du auch weiter. Üben, üben, üben. 😉