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Was ist eigentlich die Freihandgrenze?

oder auch: Wie vermeide ich das Verwackeln beim Fotografieren?

Die Freihandgrenze ist eine sehr hilfreiche Faustformel für verwacklungsfreie Bilder. Es handelt sich dabei um die maximale Belichtungszeit, bei der man gerade noch freihändig und ohne Bildstabilisator verwacklungsfreie Aufnahmen erzielen kann.

Der Grund, weshalb ich das heute einmal aufschreiben möchte ist, dass ich mich selbst wieder daran erinnern musste. Gestern war ich (eher als Gast und Assistent) bei einem Shooting anwesend und habe nebenbei aus der Ferne dann doch das eine oder andere Bild geschossen. Tags zuvor hatte ich Zuhause aber ein wenig an den Kamera-Einstellungen herumgespielt und dabei auch versehentlich den niedrigsten ISO-Wert (Lo1) eingestellt. Das habe ich komplett vergessen zu überprüfen und somit die ersten Bilder durch die Bank verwackelt. Ich hatte mit Zeitautomatik fotografiert (also das A auf der Kamera) und mich dann über die Belichtungszeiten gewundert. Einfach weil ich komplett verpeilt hatte, mir meine ISO-Einstellungen noch einmal anzuschauen.

Warum waren die Bilder aber nun verwackelt? Schlicht, weil die aus meinen Einstellungen folgende Belichtungszeit länger war als die Freihandgrenze.

Wie ermittle ich die Freihandgrenze?

Bei einer Vollformatkamera ist das wirklich einfach. Die Formel ist in diesem Fall:

Belichtungszeit = 1 / Brennweite

Mit einer Brennweite von 50 mm ergibt sich so also eine Belichtungszeit von 1/50 Sekunde. Die Belichtungszeit darf natürlich gern kürzer sein (1/100, 1/1000 etc.), sollte jedoch nicht länger werden. Gerade im Tele-Bereich wird es in der Regel immer schiefgehen, wenn man bei einer Brennweite von 200 mm mit bspw. 1/50 Sekunde belichtet. Wer das verwacklungsfrei hält, verdient meine Hochachtung.
Je länger die eingestellte Brennweite ist, umso stärker machen sich selbst geringste Verwacklungen bemerkbar, somit muss die Belichtungszeit auch kürzer werden. Im Fall von 200 mm also 1/200 Sekunde oder kürzer. Bedenkt aber bitte: Der berechnete Wert ist nicht der Idealwert. Als Idealwert wird in der Regel 1 / (Brennweite * 2) angesehen.

Bei einer sogenannten Crop-Kamera ist die Berechnung nicht ganz so einfach. Aber zunächst erst einmal: Was ist eine Crop-Kamera?

Nicht jede DSLR oder auch spiegellose Kamera hat einen Vollformat-Sensor. Die Bezeichnung “Vollformat” bezieht sich auf das Kleinbildformat, die Größe der Sensoren dieser Kameras entsprechen den Abmessungen eines Kleinbild-Films. Die meisten Einsteiger-Kameras und auch so manche Semiprofi-Kamera haben allerdings einen kleineren Sensor (bei Nikon bspw. erkennbar an der Bezeichnung DX). Durch die Verkleinerung der Sensorfläche wird das Bild im Vergleich zu einem Vollformat beschnitten. Dieser Beschnitt bewirkt eine Ausschnittvergrößerung, sehr gut kann man das im folgenden Bild erkennen. Der Bildausschnitt des Vollformats ist in Grün dargestellt, der des Crop-Sensors in Rot.

Diese Ausschnittvergrößerung bewirkt eine scheinbare Verlängerung der Brennweite. Um wie viel genau sie sich verlängert, wird durch den Crop-Faktor angegeben. Der unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller, bei Nikon beträgt er 1,5, bei Canon soweit ich weiß 1,6. Den genauen Wert könnt Ihr aber in der Regel auf der Website Eures Kamera-Herstellers herausfinden.

Da wir ja eben festgestellt haben, dass sich die Brennweite durch den Crop-Faktor verändert, müssen wir das auch in der Formel bei der Berechnung der Freihandgrenze berücksichtigen. Die Formel verändert sich dadurch wie folgt für eine Crop-Kamera:

Belichtungszeit = 1 / (Brennweite x Crop-Faktor)

Um beim Beispiel von Nikon zu bleiben: Bei einer Brennweite von 50 mm multipliziert mit dem Crop-Faktor 1,5 errechnen wir also 1 / (50 x 1,5) = 1/75 Sekunde als Freihandgrenze. Bei 200 mm Brennweite kommen wir auf 1/300 Sekunde. Da diese Werte so nicht einstellbar sind, sollten in diesem Fall also 1/80 Sekunde oder 1/320 Sekunde gewählt werden.

Zusätzlicher Tipp für Weitwinkel-Objektive

Wer mit Weitwinkel-Objektiven fotografiert, wird vielleicht feststellen, dass die hier genannte Faustformel nicht richtig zu passen scheint.
Das liegt aber daran, dass die Objektive für besonders kurze Brennweiten in den Ecken deutlich stärker vergrößern als in der Bildmitte, um Verzerrungen auszugleichen. Demzufolge scheinen dann bspw. 1/10 Sekunde bei einer Brennweite von 10 mm nicht mehr zu passen. Hier kann man sich einfach merken, dass man idealerweise nicht länger als 1/40 Sekunde belichten sollte.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem kleinen Exkurs ein wenig helfen. Für mich selbst war es auf jeden Fall gut, mir das noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.

Mirko

Hallo, ich bin Mirko und blogge (mit Unterbrechungen) seit 2004. Ich bin seit 30 Jahren in der IT tätig, kreativer Kopf und Freizeitfotograf mit langjähriger Erfahrung auch im Bereich Design und Bildbearbeitung.

Ich fotografiere aktuell mit meiner Nikon D750, bevorzugt Menschen. Meine erste DSLR war eine Nikon D70, die später durch eine Nikon D300 ersetzt wurde. Bearbeitet werden meine Aufnahmen in der Regel in Adobe Lightroom Classic und Adobe Photoshop. Einfach, weil ich gefühlt schon immer damit arbeite.

Hier möchte ich sowohl meine Fundstücke aus dem Web, als auch meine Erfahrungen oder auch Experimente teilen. Wenn ich über Produkte berichte, dann schreibe ich immer und in jedem Fall meine persönliche Meinung. Es ist nicht möglich, hier positive Beiträge oder Empfehlungen zu kaufen. Auch hier vorgestellte Produkte sind, sofern im Beitrag nicht anders gekennzeichnet, aus eigener Tasche bezahlt und nicht gesponsert.

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